Diskurs und Ökonomie – Teil 8: Schwan vs. Sinn, oder: in Verteidigung der Reinheit der Ökonomie
Die gestrige Talkshow ‚Anne Will‘ widmete sich einmal mehr der Frage nach der ‚Rettung‘ Griechenlands. Hierbei kam es zu einer durchaus, in mindestens zweierlei Hinsicht, bemerkenswerten Auseinandersetzung zwischen Hans-Werner Sinn, u.a. bekannt als Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, und Gesine Schwan, ihres Zeichens Politikwissenschaftlerin.
Bemerkenswert in erster Hinsicht, weil Hans-Werner Sinn sich Äußerungen zu ökonomischen Fragen durch Frau Schwan (als Politologin wäre diese nicht ‚vom Fach‘, ihr Verhalten wäre ‚hochnäsig‘, Sie habe die ökonomische Literatur ’nicht verstanden‘) verbat. Sichtbar wird eine diskursive Schließung im Sinne einer Verteidigung der Reinheit der Ökonomie, welche sich im Umkehrschluss ‚fachfremder‘ Kontaminationen erwehren muss. Der Disput weckt Assoziationen an Mary Douglas‘ anthropologische Studien über ‚Reinheit und Verunreinigungen‘, hier nun verschränkt mit einer entsprechenden ‚Wahrheitsfunktion‘ des ökonomischen Diskurses.
Dass es dieser Reinheit offenbar bedarf, verweist auf den zweiten hervorzuhebenden Aspekt; jenen von Hans-Werner Sinn gezeichneten Weg der ‚Rettung‘ Griechenlands über den Weg des Staatsbankrottes. Hier betreten wir nun wieder den Bereich der Kollektivsymbolik, insofern Griechenland als Patient dargestellt wird, dessen Bankrott einen Hospitalaufenthalt einleitet, welches der Patient nach 2-3 Jahren wieder gesundet und erstarkt verlässt. Die Adressierung des Bildbereiches der Medizin passt insofern zur Propagierung jener Reinheit, da die ökonomische Modellierung jene vermeintlich präzisen, einen medizinischen Eingriff assoziierenden ‚Rezepte‘ liefert, welche durch (beispielsweise) politische Überlegungen notwendig getrübt und ‚verunreinigt‘ werden. Im Traum der Reinheit und der präzisen ökonomisch-medizinischen Operation offenbart sich dann auch ein utopisches, vielleicht besser dystopisches Moment ökonomischer Modellierung.