Diskurs und Ökonomie – Teil 12: Blase
Die Verwendung der Metapher der Blase zählt zum geläufigen Bildvorrat des Diskurses des Ökonomischen. Die Blasensymbolik ist soweit verbreitet, dass diese sowohl im massenmedialen Interdiskurs als auch im ökonomischen Spezialdiskurs Verwendung findet. Diese Prominenz findet ihren Niederschlag auch in Wikipedia. Im Eintrag „Blase“ findet sich unter anderem (https://de.wikipedia.org/wiki/Blase):
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eine Marktsituation mit unrealistisch hohen Preisen, siehe Spekulationsblase
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Seifenblase, Spielzeug aus Wasser und Seife
Unter „Spekulationsblase“ ist dann zu lesen:
Als Spekulationsblase, auch Finanzblase, oder Blase (von englisch: speculative bubble, economic bubble, financial bubble) wird in der Makroökonomie eine Marktsituation bezeichnet, in der die Preise eines oder mehrerer Handelsgüter (zum Beispiel Rohstoffe oder Lebensmittel), Vermögensgegenstände (Immobilien und Wertpapiere wie zum Beispiel Aktien oder Anleihen) bei hohen Umsätzen über ihrem inneren Wert (auch: Fundamentalwert oder intrinsischer Wert) liegen. […]
Hier wird man dann unter anderem weiter verwiesen auf den Eintrag „Bubble Economy“:
Unter einer Bubble Economy (engl. „Blasen-Wirtschaft“) wird eine Volkswirtschaft verstanden, die zunächst durch eine Spekulationsblase profitiert und wächst, nach dem Platzen der Blase jedoch unter den Auswirkungen der wirtschaftlichen Rückschläge leidet […]
Deutlich also zunächst die Dissemination, das Mäandern der Blasenmetaphorik, sowohl umgangs- als auch fachsprachlich. Drei Anmerkungen hierzu:
Erstens: Die symbolische Qualität der „Blase“ ist offensichtlich; die „Seifenblase“ erscheint dabei als das mit aller Wahrscheinlichkeit assoziierte Bildfeld: Spiel der Kindheit im Frühjahr und Sommer, das Schillern der Seifenblase in allen Farben, die Freude über große Blasen, Fragilität und der Augenblick des Zerplatzens (oft forciert). Das spielerische, ephemere, unberechenbare und effektvolle Moment wird hier übertragen.
Gleichwohl und zweitens: Die Übertragung erfolgt nicht ohne Verschiebung: Ergänzt und modifiziert wird dies durch das gefahrvolle Moment (ein Spiel jenseits des „Fundamentalwertes“, die Gefahr der Krise und Rezession). Dieses neue assoziative Moment wird forciert durch die Vorstellung von zwei Sphären des Ökonomischen: der ‚realen‘, ‚echten‘ Ökonomie (‚innerer Wert‘, ‚Fundamentalwert‘) und der ‚imaginären‘, ‚spekulativen‘ Ökonomie. Die Finanzmärkte verletzen in diesem Verständnis durch ‚Blasenbildung‘ ihre eigentliche Funktion der ‚Repräsentation‘ der Ökonomie. Dieses Bild, welches an das ‚Zeitalter der Repräsentation‘ (Foucault) erinnert, in welcher Sprache (hier: die Zeichen der Börse) – Welt (hier: die ‚reale‘ Ökonomie) getrennt gedacht werden, findet entsprechend auch seinen Niederschlag in den Wikipedia-Einträgen. Es bleibt dann nach wie vor wohl eine wichtige Frage, nicht nur aus diskursanalytischer oder poststrukturalistischer Perspektive: Was, wenn nach dem Platzen, nach dem Ende der schillernden Hülle nichts ‚dahinter‘ ist? Wenn der ‚innere Wert‘ selbst sich ’nur‘ als Zeichen im Diskurs des Ökonomischen erweist?
Insofern fungiert Drittens die Rede von der ‚realen‘ Ökonomie auch als Sehnsuchtsort – etwas Echtes erzeugen, etwas was bleibt; Ideen und Diskurse des Handwerklichen verschränken sich hier mit der Marx‘schen Rede vom Gebrauchswert.
Hier wieder der Verweis auf die bisher andiskutierten Symbolisierungen des Ökonomischen: