„Die perfide Unschuld des Marktes“ – Joseph Vogl im Zeit-Interview
In der aktuellen Ausgabe der Zeit (Nr. 38 vom 11.August 2011) findet sich ein instruktives Interview mit dem Kulturwissenschaftler Joseph Vogl zur historischen Genese und aktuellen Verfasstheit des Finanzmarktkapitalismus. Es ist auch deshalb lesenswert, da die Interviewende aus dem Wirtschaftsressort stammt und Vogl somit die Gelegenheit erhält, auf einige neoliberale Wahrheitsspiele (kriseninduzierte Produktivitäts- und Effizienzsteigerung, Alternativlosigkeit von Märkten, Staaten als Quasi-Unternehmer) kritisch einzugehen. Im impliziten Anschluss an die Foucaultschen Analysen zur neoliberalen Gouvernementalität führt Vogl u.a. aus:
„Der sogenannte Liberalismus ist ja nicht bloß eine platte Rechtfertigung der Marktwirtschaft. Er unterstellt vielmehr, dass sich Gesellschaften durch Marktmechanismen besser und effizienter regieren lassen. Der Markt wird als eine Art Regierungstechnologie verstanden […]. Entscheidungen werden nicht von gewählten Regierungen, sondern von Märkten und ihren Mitspielern diktiert. Als die US-Bonität am Freitag letzter Woche herabgestuft wurde, sagten Vertreter von Standard & Poor’s recht unverblümt: Die USA sollten schnell die überflüssigen Sozialprogramme abbauen. So spricht das Orakel, die perfide Unschuld des Marktes.“
Das Interview ist ein schöner Anlass, auf zwei wichtige Bücher von Joseph Vogl zu verweisen. Kleiner Hinweis: Diese zwei Werke bilden zugleich den Startpunkt der neuen Rubrik „Gute Bücher“ unter ‚Kritische Ressourcen‘.
„Das Gespenst des Kapitals“ (erschienen 2010 im diaphanes Verlag)
„Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen“ (3.Auflage 2008, ebenfalls diaphanes)